Doppelmoral in der DIY Szene: Warum unterstützen so viele ganz offen Schwarzarbeit?

DIY-Szene-Doppelmoral

Mein nächstes Thema in der “Hingeschaut” Reihe ist für viele meiner Leser bestimmt unangenehm. Denn die werden sich womöglich dabei ertappen, zu einem von drei Lagern zu gehören:

    1. Künstler, die ihre Sachen verkaufen und dabei (bewusst) gegen Gesetze verstoßen
    2. Kunden, die diese Sachen kaufen (bewusst oder unbewusst)
    3. und jene, die beides scharf kritisieren.

Ich gehör in Lager Nummer drei, wie sieht es mit dir aus?

Wie unsere Wirtschaft funktioniert (egal, ob nun Österreich oder Deutschland) und dass es daher für den durchschnittlichen Bürger recht ärgerlich ist, wenn Unternehmen irgendwelche Schlupflöcher finden, um keine oder sehr viel weniger Steuern bezahlen zu müssen, brauche ich mit Sicherheit nicht extra erklären. Warum wird es also toleriert, wenn Menschen ein vermeintliches Hobby in Schwarzarbeit betreiben?

Jeden Tag kommen mir in sozialen Medien 10 bis 20 Künstler unter, die ich davor noch nicht gekannt habe. Und bei in der Regel der Hälfte davon kann ich auf einen Blick sagen, dass sie das Ganze in Schwarzarbeit betreiben. Bei den anderen gelange ich, sobald sie mir mehrfach unterkommen, irgendwann an einen Punkt, an dem ich dann ganz direkt nachfrage.

Warum? Weil ich es ehrlich zum Kotzen finde, dass Leute damit auf unethischen Wegen Geld verdienen. Und weil das maßgeblich dazu beiträgt, dass die DIY Szene unglaublich toxisch geworden ist. Ich darf an der Stelle mal kurz an mein Statement erinnern, das ich aus gewissen Gründen im März veröffentlichen musste.

Dazu muss ich aber mal kurz ein bisschen weiter ausholen.

Ich will an der Stelle gar nicht tiefer über den toxischen Part ins Detail gehen, nur so viel: Die Szene hat sich mittlerweile an einen Punkt entwickelt, an dem Leute, die Ehrlichkeit im Sinn haben, verteufelt werden. Wer einen Künstler offen auf seine illegalen Handlungen anspricht, hat es oft gleich mit einer Schar an Hatern zu tun, die ihn inbrünstig verteidigen. Und dabei ist es offenbar völlig egal, inwieweit die rechtliche Situation missachtet wird.

Das geht mittlerweile so weit, dass Künstler, die noch recht klein sind, offen gegen andere losgehen, wenn sie ein Featuring in Videos und damit viel Aufmerksamkeit erhalten. Etwa von Facebookseiten wie Nifty, Bored Panda Art oder sogar auf der Webseite von 9gag. Ich habe dort schon wirklich jede Art der Boshaftigkeit entdeckt, von kleinen Bemängelungen über die Qualität der Arbeit bis hin zu “ich könnte das besser” mit Verweis zur eigenen Seite. Neid ist sowas von hässlich. Und glaub mir, ich kann ein Lied davon singen. Ich hatte selbst mit solchen Leuten zu Genüge zu tun – eine der Sachen, die ich daher absolut nicht vermisse, da wir nicht mehr auf Conventions zugegen sind, ist die Art Alley. Auch, wenn viele Künstler sehr lieb zu uns waren, ist der Großteil einfach garstig und neigt zu unglaublich fiesem Mobbing. Ich habe mehr darüber hier geschrieben.

Diese Künstler halten sich natürlich auch in sozialen Medien auf und zählen für mich gewissermaßen mit in die DIY-Szene.

Ein Großteil von ihrem Sortiment (wenn nicht komplett alles) besteht daraus, bestehende Charaktere von Cartoons, Serien und Filmen künstlerisch darzustellen und von diesen dann über Prints bis hin zu Schmuck alles anzubieten. Die Produkte werden teils sehr professionell hergestellt, mal sind es bedruckte Kissenhüllen, dann mal ein komplettes Artbook in Hardcover, dann wiederum Sticker in hoher Qualität, Stifte, Lineale, und und und. Die Produktpalette hat also eine beachtliche Breite – und die Leute kaufen es wie verrückt.

Erlaubt ist das nicht. Denn in der ein oder anderen Form begeht man damit eine Urheberrechtsverletzung. Es ist das geistige Eigentum einer anderen Person, die man da zum Besten wiedergibt. Um dann Pokémon in Eiscreme baden zu lassen oder Sailor Moon ein Dress in eigener Interpretation anzuziehen.

Betrieben wird das im großen Stil, auf Conventions wird das heiß diskutiert und ist jedes Jahr aufs Neue eine Streitsache. Vielen Künstlern würde dann die Existenzgrundlage wegbrechen, weil ihnen ja die Einnahmen fehlen! Zum Vergleich übrigens:

  • Der durchschnittliche Händlerstand kostet pro Quadratmeter 200 €, der durchschnittliche Künstlerstand hingegen pro Quadratmeter nur 25 €.
  • Viele Künstler, die mir auf Conventions begegnet sind, haben entweder Hartz IV oder Arbeitslosengeld bezogen und dürften somit gar nichts dazu verdienen.
  • Ganz abgesehen davon, dass viele von ihnen keine Gewerbescheine besessen haben bzw. das nicht angemeldet haben. Und sobald man mehr als nur Zeichnungen verkauft, ist man kein freischaffender Künstler mehr. Sobald jemand mit seinen Motiven ganze Riegen an Merchandiseprodukten bedrucken lässt und dies dann verkäuft, unterliegt er einem Gewerbe.
In Österreich wie auch in Deutschland gilt man als gewerbetreibend, sobald man eine Tätigkeit regelmäßig ausübt, um einen Profit zu erwirtschaften.

Ist es mein Hobby, dann mache ich es als Hobby und gut ist. Sobald ich aber auch nur einen Cent damit verdiene, dann ist es gewerblich. So habe ich es auch der Künstlerin biwa.art erklärt. Sie ist ein Paradebeispiel dafür, warum mich diese Wannabe-Unternehmer so nerven.

biwa-Art-Caption

In der Bio schreibt sie, es wäre kein Unternehmen, sie würde nur zum Spaß basteln.

Und sobald ich den ersten Post öffne, der aktuell online ist:

biwa-Art-Verkauf

Zwei Dinge.

Wenn ich nur zum Spaß bastle, warum verkaufe ich meine Sachen dann?

Und da zieht man sich ja fein aus der Sache, von wegen jegliche Sachmangelhaftung sei dadurch ausgeschlossen.

Genau das ist der Knackpunkt.

Ein Unternehmer, ein Künstler, der sein Gewerbe angemeldet hat, Steuern zahlt (ja/nein, je nach Land und geltenden Umsatzgrenzen), Sozialversicherung zahlt, Grundumlage zahlt, und und und, trägt einen Teil zu unserer Wirtschaft und damit der Gesellschaft bei. Was tut jemand, der sich in Schwarzarbeit bereichert? Nichts. Derjenige kassiert gemütlich Geld, ohne sich über all die unangenehmen Nebensächlichkeiten ärgern zu müssen, die mit einem Unternehmen so mit sich kommen.

  • Kein Papierkram.
  • Keine Rechnungen (im meist vierstelligen Bereich, wenn du davon wirklich selbständig leben kannst).
  • Man muss sich nicht mit Dingen wie Rückgaberecht, Produkthaftung, Impressumspflicht und all dem Krims beschäftigen.
  • Produktpreise können recht günstig angesetzt werden und damit den “Mitbewerb” ausstechen.

Ich setze den Mitbewerb hier übrigens ganz bewusst unter Gänsefüßchen, denn ich sehe in so jemand gewiss keine Konkurrenz. Lediglich einen asozialen Schmarotzer, der sich fein aus geltenden Gesetzen herauswindet und trotzdem davon profitieren kann. Tut mir leid, aber sanfter kann man das nicht sagen.

Nicht einmal Künstler auf Plattformen wie Etsy sind zu 100 % vertrauensvoll. Denn die Plattform bietet ja lediglich die Möglichkeit zum Verkauf, da kontrolliert niemand, ob auch wirklich ein Gewerbeschein vorhanden ist. Den muss man nur vorlegen, wenn man eine Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer für die eigene Buchhaltung braucht.

Schwarzarbeit ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch strafbar – es werden gleich mehrere Gesetze gebrochen

Schwarzarbeit ist ein Hohn für jeden, der mit ehrlicher Arbeit sein Geld verdient und damit auch noch einen Teil zu unserer Gesellschaft beiträgt. Und es werden dabei gleich mehrere Gesetze und Pflichten gebrochen:

  • Man verstößt gegen mehrere Meldepflichten.
  • Man betrügt das Sozialamt.
  • Man betrügt den Träger der Grundsicherung.
  • Man begeht Steuerhinterziehung.
  • Und man bricht das Sozialversicherungsrecht.

DIY-Schwarzarbeit schadet der ganzen Branche

Allein schon durch die oftmals geringen Preise und die Tatsache, dass nicht selten einfach Urheberrechte missachtet werden (ich meine damit die bewusste Missachtung, kein Versehen, das schnell mal bei künstlerischen Werken scharf diskutiert wird) schaden solche DIY-Künstler der Branche.

Aber oft tun sie sich auch noch als #SmallBusiness auf, das supportet werden möchte. Oder hängen sich mit Clicktivism-Hashtags wie #BlackOwnedBusiness oder #GirlBusiness richtig rein, um dann von jenen gefunden zu werden, die ausschließlich solche Künstler unterstützen möchten. Und damit schaden sie der Branche noch viel mehr, da sie plötzlich ein unterstützenswertes Unternehmen sind – ohne tatsächlich eines zu sein.

Was kannst du in Zukunft tun, um zu helfen?

DIY-Künstler in Schwarzarbeit findest du überall. Sie sind auf Twitter, auf Instagram, auf TikTok, auf Facebook, auf Etsy – die Liste könnte noch um etliche Punkte erweitert werden. Aber im Grunde musst du überall dort, wo man leicht seine Sachen zur Schau stellen kann, die Augen offenhalten.

Qualitative Produktfotos oder schöne Hintergründe sind überhaupt kein Merkmal, nach dem du dich richten kannst. Achte stattdessen auf die nachfolgenden Faktoren.

  • Halte die Augen offen und prüfe auf Aussagen, wie “mache das nur zum Hobby“, die im Anschluss ihre Sachen verkaufen möchten. Selbst, wenn sie mit “Privatverkauf” argumentieren, denn der Gesetzgeber sieht in einem sogenannten Privatverkauf ausschließlich einmalige und nicht regelmäßige Sachen. Ein Garagenverkauf beispielsweise, oder der Verkauf von einem Fahrrad, einem Auto oder auch einem Haus. Und selbst da müssen ab gewissen Summen Steuern bezahlt werden.
  • Überprüfe Webseiten darauf, ob sie ein Impressum besitzen und schau, was drinsteht.
  • Schreibt jemand über seine Geldprobleme, weil das Arbeitslosengeld noch nicht eingegangen ist und verkauft anschließend selbstgemachte Amigurumi oder sonst welche Dinge, dann musst du unbedingt genauer hinschauen. In Österreich darf während dem Bezug des Arbeitslosengeldes kein aufrechtes Gewerbe bestehen und in Deutschland muss jedes zusätzliche Geld zumindest anteilig ans Amt gehen.
  • Ist der Accountinhaber nicht volljährig, kann gar keine Gewerbeberechtigung vorliegen. (Kommt in erster Linie auf TikTok vor, dass Kids Schmuck verkaufen – und zwar im wirklich großen Stil, was verdammt erschreckend ist.)
  • Stichwort Verpackungsregister (Lucid) & Lizenzierung (z.B. durch Reclay) – in Deutschland gilt Registrierungs- und Meldepflicht in Bezug auf Versendungen durch Onlineshops und Verpackungsmaterial! Wer sein Gewerbe nicht angemeldet hat, weiß in der Regel auch über diese Angelegenheit(en) nicht Bescheid. Einfach mal drauf ansprechen. Danke an Jemo Kohiri für den Tipp!
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Bist du dir unsicher, scheu dich nicht, ganz direkt nachzufragen. Damit sensibilisierst du auch andere Follower jener Personen. Und wenn du ganz eindeutige Hinweise darauf siehst, dann lass die Finger davon. Denn nicht vergessen: Kaufst du bei solchen Künstlern, unterstützt du bewusst Schwarzarbeit und damit Systemverweigerer. Willst du das wirklich?

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